Kodak Retina IIIC
Meine Retina IIIC is vielleicht die beste historische Kamera, die ich besitze. Zumindest ist sie diejenige, die ich mir ohne groß darüber nachzudenken am häufigsten über die Schulter hänge, wenn ich das Haus verlasse (und man sagt ja, man soll das Haus nie ohne Kamera verlassen).
Die Retina ist ein mechanisches Wunderwerk, das vollkommen ohne Batterien auskommt und auch nach 60 Jahren noch immer präzise funktioniert - bis hin zu seinem Selen-Belichtungsmesser, der mir oft besser belichtete Fotos beschert als eine moderne Belichtungsautomatik. Als Faltkamera ist die IIIC relativ kompakt und ihr 2/80mm Xenon von Schneider-Kreuznach ist knackscharf und lässt auch sonst kaum Wünsche offen.
Auch was die Fertigungsqualität anbelangt ist die Retina IIIC über jeden Zweifel erhaben. Fast alle Bauteile sind aus Metall und Glas, und in den mechanischen Funktionen ist nur minimales Spiel festzustellen. Kameras wie die IIIC sind das Beste, was die einstmals weltberühmte deutsche Kameraindustrie hervorgebracht hat und stellen in meinen Augen den absoluten Höhepunkt mechanischer Konstruktionen dar. Noch heute bin ich fasziniert von Qualität und den Bildern dieser 60 Jahre alten Kameras, der Retina, der Rolleiflex, der Leica M3. Danach ging es - nicht nur mit der deutschen Fotoindustrie, sondern auch mit ihren Produkten - eigentlich nur noch bergab. Die Retinas nach der IIIC sind ein gutes Beispiel dafür, wie ich an meiner IIF gut sehen kann. Hier sind schon viele Metallteile durch Plastik ersetzt, und der ausgegklügelte Mechanismus, mit dem bei den klappbaren Retinas zum Scharfstellen noch die komplette Objektiv-Verschlusseinheit verschoben wurde, musste einer simplen und optisch minderwertigeren Verstellung der Frontlinse weichen.
Eines der herausragenden Merkmale der Retina IIIC ist ihr Satzobjektiv. Das bedeutet, das man die vordere Linsengruppe des Retina-Xenons mittels eines Bajonetts gegen andere Teilobjektive auswechseln kann. Von diesen besitze ich ein 5.6/35mm Retina-Curtar und ein 4/80mm Retina-Longar, das dritte Vorsatzobjektiv, ein weiteres, ziemlich klobiges 35mm Curtar mit der größten Blende 4 ist mir bisher noch nicht über den Weg gelaufen. Bedenkt man, dass es sich hier nicht um vollwertige Wechselobjektive handelt (die hintere Linsengruppe des Xenons bleibt bei allen dreien in der Kamera und muss irgendwie mit den verschiedenen Vorsätzen harmonieren), bieten die Longare und Curtare eine recht ordentliche Abbildungsqualität. Ihr Handling aber ist alles andere als akzeptabel. Hat man eines von ihnen an der Kamera befestigt, muss man mit dem Entfernungsmesser scharf stellen, dann die Meterzahl an der Entfernungsskala des Normalobjektivs ablesen und sie per Hand auf eine von zwei Hilfsskalen am Unterteil des Verschlusses übertragen. Benutzerfreundlich geht anders, und für schnelle Straßenfotografie bleibt man besser beim 50mm Xenon, das eh bei weitem die beste der drei möglichen Linsenkombinationen darstellt. Zur Ehrenrettung späterer Retinas muss ich noch anmerken, dass die Retina IIIS, die letzte Sucherkamera der IIIer-Serie und schon mit vermehrter Verwendung von Plastikteilen geschlagen, in puncto Wechselobjektive die faltbaren IIIer-Modelle um Längen schlägt, da sie die Objektive der Retina Reflex verwenden kann, und das sind vollwertige, zum Teil hervorragend abbildende Objektive und keine kompromissbehafteten optischen Schimären wie die Vorsatzlinsen der IIIC.
Kommen wir zum Sucher der IIIC. Im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin, der Retina IIIc ("little c"), hat die "Big C" die Leuchtrahmen für alle drei Objektivkombinationen eingespiegelt, was den Sucher vielleicht ein wenig unübersichtlich, dafür aber angenehm groß werden ließ. Für mich ist er der beste Sucher, den man in einer Retina kriegen kann, nicht nur, weil man sich bei Verwendung der Objektivvorsätze den Zusatzsucher zum Einstecken in den Blitzschuh sparen kann, der bei der "kleinen c" noch nötig war. Mehr über die Unterschiede der c-Schwester habe ich in meinem Blog "Zeitmaschinen.org" geschrieben.
Weil wir gerade beim Blitzschuh waren - der nimmt nicht nur einen Blitz (allerdings mit Kabel, ein Mittenkontakt fehlt) oder den erwähnten Zusatzsucher auf, sondern diverses anderes Zubehör aus dem Retina-System. Dazu gehören ein klappbarer Sport-Rahmensucher und ein Naheinstellgerät mit Parallaxenausgleich, das mittels dreier Vorsatzlinsen Aufnahmen bis zu einer Motriventfernung von ... cm gestattet. Das Zubehörsystem der Retina ist im Lauf der Jahre ihrer Produktion stetig gewachsen und bietet eine Menge, vom Tischstativ bis zur ledernen Bereitschaftstasche mit verchromten Metallleisten. Nicht alle sind von diesen Bereitschaftstaschen begeistert, mir persönlich kommt eine deutsche Kamera aus dieser Zeit ohne eine solche Tasche geradezu nackt vor.
Eine weitere Eigenschaft der Retina IIIC, die nicht nach Jedermanns Geschmack ist und im Internet oft herbe Kritik erntet, ist das Lichtwertprinzip, nach dem ihr Verschluss funktioniert. Erfunden wurde es von der Münchner Firma Deckel, die auch den Compur-Verschluss der Retina gefertigt hat. Bei der IIIC funktioniert es so: Man liest am Belichtungsmesser eine Zahl zwischen 2 und 18 ab, die man mittels eines federbewehrten Zeigers am uneren Teil des Verschlusses einstellt. Hat man das einmal bewerkstelligt, kann man die mittels dieses Prinzips miteinander gekoppelten Blenden- und Verschlusszeitwerte gemeinsam einstellen. Für mich ist die Lichtwerteinstellung eine Art vorweggenommene Halbautomatik, die mich schnell und unkompliziert durch Blenden und Verschlusszeiten wandern lässt, ohne den jeweils anderen Wert nachführen zu müssen.
Kodak Retina IIIC
My Kodak Retina IIIC is probably the best classic camera i own. At least it is the one i use the most, the one that i grab without thinking when i leave the house (and as you know, you should never leave the house without a camera).
It is a mechanical marvel that needs no battery for its selenium exposure meter that is still working properly after 60 years. Being a folding camera it is rather compact and its Xenon 2/50mm lens is fast and sharp and leaves not much to be desired.
The build quality of the camera is fantastic. Almost every part is made of metal and there is no perceptible slackness whatsoever in any of its mechanical operations. Cameras like the Retina IIIC are the best the once famous german camera industry was able to produce, a veritable pinnacle of ingenious construction. Every demand a photographer could have at that time was solved with entirely mechanical means - a fact that keeps fascinating me every time when i am taking pictures with those cameras - The Retina, the Rolleiflex, the Agfa Flexilette, the Leica M3. After that peak the german camera industry (with the exception of Leica) went into a steep decline. You can see that in later Retinas of the post-folder era where many of the metal parts have been substituted by plastic and the elaborate focusing mechanism of the folders that moved the lens-shutter group as a whole was replaced by simpler and optically inferior front lens focusing. I see that in my Retina IIF which is not a bad camera but definitely on the road to flimsyness compared with the IIIC.
A special feature of the IIIC are its supplementary lenses that can be mounted instead of the front element of the Xenon with a special bajonett. I own a 4/80mm Retina Longar and a 5.6/35mm Curtar which are two of the three lenses to be had (there is a 4/35mm Curtar as well which i do not possess). Considering the fact that you do not change the complete lens - the rear group of the Xenon stays in the camera behind aperture and shutter and combines with the supplementary groups - the optical quality of these chimera-lenses is quite decent. Their handling on the other hand is definitely not: once the front element is attached you have to focus the lens via the rangefinder, read the distance on the scale for the 50mm Xenon and transfer it manually to one of the two auxiliary scales at the bottom of the lens-shutter assembly. But in comparison with the IIF at least you have the possibilty to take pictures with a wide angle or a small tele. To be fair i have to mention that there is the Retina IIIS, a rigid Retina with interchangeble lenses (complete lenses, not just front groups), but that is a Retina i do not (yet) own.
Let's go back to the IIIC. Unlike the IIIc (the little c), that must use an accessory finder for the interchangeable lenses, it has the framelines for 35,50 and 80 in its bright line finder which makes it rather cluttered but on the other hand pretty big and therefore better to look through than the relatively tiny peephole of earlier generations.
A feature of the IIIC that gets a lot of bashing on the web i actually like very much: The EV (exposure value) system for coupling the shutter speed to the aperture opening. It works like this: The uncoupled selenium meter on top of the camera provides you with a number between 2 and 18 - the exposure value - you have to set via a red arrow to the ring with corresponding numbers at the bottom of the shutter. After that shutter speed and aperture are coupled together and can be moved by a single turning of the shutter speed ring around the lens. I like to think of it as some sort of semi-automatic and enjoy the possibility to change the shutter speed without having to worry about adjusting the aperture correspondingly.
And there is another not-so-beloved accessory to the Retina IIIC a am a passionate fan of. The ever-ready case that sometimes gets ridiculed as a "never-ready case". I think there is no better protection for a high precision machine like the Retina that doubles as a wonderful transportation case you can easily carry over your shoulder wherever you go. And it is just beautifully made of thick, sturdy leather, trimmed with chromed metal at the edges and the label "Retina" embossed in beautiful letters on the front. A wonderful garment for a wonderful camera.